Geschichte einer Misere

Von Jürgen Vogz · · 2023/Jul-Aug
Viel Papier, wenig Wert. Die Argentinier:innen müssen genau kalkulieren. © STR / AFP / picturedesk.com

Argentiniens Wirtschaft schwächelt seit vielen Jahren.

Im Dezember feiert Argentinien den 40. Jahrestag der Rückkehr zur Demokratie. Der 1983 gewählte Präsident Raúl Alfonsín trat ein schweres wirtschaftliches und soziales Erbe aus der Zeit der Militärdiktatur (1976-1983) an.

Unter den Militärs hatte sich nicht nur der Anteil der Armen an der Bevölkerung auf 40 Prozent verdoppelt. Zudem waren die Staatsschulden von rund 8 Milliarden auf 45 Milliarden US-Dollar gestiegen. Zusätzlich zu schaffen machten der neuen Regierung die Folgen der internationalen Finanzkrise von 1982.

Um die Inflation in Griff zu bekommen, ersetzte die Regierung Alfonsín den Peso zwischenzeitlich durch die neue Währung Austral und ließ zudem sämtliche Preise einfrieren. Der Erfolg blieb aus. 1989 kam es zu einer Hyperinflation mit einer Rate von über 3.000 Prozent. Erst als der Peso unter dem nachfolgenden Präsidenten Carlos Menem zum festen Wechselkurs von 1:1 an den Dollar gebunden wurde, wurde die Inflation eingedämmt. Allerdings zum Preis einer neoliberalen Politik, die unter anderem die Importbeschränkungen aufhob und so die heimische Industrie weitgehend ruinierte. Finanziert wurde die Dollarbindung durch den Verkauf von Staatsbetrieben. Als Fernando de la Rúa 1999 das Präsidentenamt übernahm, war alles verkauft und das Modell bereits erschöpft. Argentinien verfügte nicht mehr über die erforderlichen Dollar, um die Bindung an die US-Währung aufrechtzuerhalten.

Ende 2001 brach das Finanzsystem vollständig zusammen. Sozialer Aufruhr erschütterte das Land und de la Rúa musste abtreten. In zehn Tagen wechselten sich fünf Präsidenten im Amt ab.

Im Jänner 2002 wurde die Dollar-Bindung aufgegeben und die Argentinier:innen erlitten einen massiven Kaufkraftverlust ihrer Ersparnisse und Einkommen. Über 50 Prozent der Bevölkerung fanden sich unterhalb der Armutsgrenze wieder.

Die allmähliche wirtschaftliche Erholung, die bereits vor der Präsidentschaft von Néstor Kirchner im Jahr 2003 eingesetzt hatte, erhielt durch die steigenden internationalen Rohstoffpreise einen kräftigen Rückenwind. Der Export von Soja brachte steigende Einnahmen in die Staatskasse.

Die Boomphase endete mit dem Verfall der Wertmarktpreise ab 2012. Seitdem schwankt die Wirtschaft zwischen Stagnation und Rezession, der Staat war mehrfach zahlungsunfähig und die Inflation steigt.

Jürgen Vogt lebt seit 2005 in Buenos Aires und ist u. a. Korrespondent der deutschen Tageszeitung Taz.

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